Tauche ein in das Meer Seiner Barmherzigkeit

Vortrag Helene Schulze

Kongress zur Göttlichen Barmherzigkeit

Diesem Bild vom barmherzigen Jesus bin ich das 1.mal ungefähr 1992 bei jemandem begegnet. Mein erster Gedanke war: wie kann man sich so ein kitschiges Bild hinhängen.

Etwa 2 Jahre später waren mein Mann und ich in einer sehr schwierigen Situation. Es sollte zu einer Gerichtsverhandlung kommen. So etwas hätten wir uns nie träumen lassen. Wir waren doch bisher immer mit allen Menschen gut ausgekommen. Und nun das! Mein Mann war zwar Alkoholiker, aber zu diesem Zeitpunkt bereits 14 Jahre trocken. Jedes mal, wenn nun ein Brief vom Rechtsanwalt kam, bemerkte ich bei meinem Mann eine ganz starke Unruhe. Ich hatte große Angst, dass er rückfällig wurde. Seine Gesundheit war bereits sehr angeschlagen. Einen Rückfall hätte er möglicherweise nicht überlebt. Auch mein Magen spielte langsam verrückt. Ich war richtig verzweifelt. Bei einem Besuch im Krankenhaus ging ich dort in die Kapelle. Ich schaute mich um und sah niemanden. Da setzte ich mich vor den Tabernakel und habe meine ganze Not raus geheult. Als ich danach zum Ausgang ging, erhob sich ganz hinten in einer Ecke ein Mann und kam auf mich zu. Ich hatte ihn vorher noch nie gesehen und auch später nicht mehr. Er sprach mich an: Sie haben anscheinend großen Kummer.  Und er reichte mir ein Faltblatt mit dem Bild des barmherzigen Jesus. Er sagte: In diesem Faltblatt steht der Barmherzigkeitsrosenkranz und die Novene dazu. Davon hatte ich noch nie gehört. Und er sagte weiter: Beten sie das und ich verspreche ihnen, es wird sich etwas ändern.

Ausgerechnet dieses Bild! Aber wenn man verzweifelt ist, greift man doch nach jedem Strohhalm. Ich habe also die Novene und den Barmherzigkeitsrosenkranz gebetet. Schließlich, schaden konnte es ja nicht. Und ganz langsam änderte sich wirklich etwas.

 Zunächst einmal bei mir. Ich fand das Bild auf einmal gar nicht mehr so kitschig. Und dann konnte ich mit der Situation besser umgehen. Ich war nicht mehr so sehr verzweifelt. Dieses Gebet, so merkte ich, war kein Strohhalm, sondern ein ganz dickes Seil zum Festhalten.  Unsere schwierige Situation entspannte sich langsam. Auf einmal konnten wir mit unserem Gegenüber sprechen, was vorher einfach nicht möglich war. Es kam zu keiner Gerichtsverhandlung. Und im Laufe von Jahren entstand daraus ein Segen, der bis heute anhält.

Dieses Bildchen lag nun die ganze Zeit auf meinem Nachtschränkchen und es wurde mir immer lieber. Und auf einmal fand ich es richtig schön. Ich ließ es vergrößern und fragte meinen Mann, ob er etwas dagegen hätte, wenn ich es an die Tür vom Kleiderschrank hefte. Dann wäre morgens mein erster und abends mein letzter Blick auf Jesus gerichtet. Er meinte: Meinetwegen, im Bett hab ich ja keine Brille auf. Da sehe ich nicht, was da hängt. Ich klebte es also an die Schranktür, und da ist es immer noch.

Inzwischen weiß ich ja aus dem Tagebuch der Schwester Faustina, dass Jesus versprochen hat, auch durch das Bild zu wirken.  Und Er hat gewirkt.

 Mein Mann ging damals auch mal in die Kirche. Außer dem Tischgebet gab es bei uns kein gemeinsames Gebet. Vielleicht hätte ich es durchsetzen können, aber dann hätte unser Haussegen ziemlich schief gehangen. Und das ist ja schließlich nicht der Sinn des Gebetes.

Und dann kam Radio Horeb ins Spiel. Meine Schwester machte mich auf diesen Sender aufmerksam. Am weißen Sonntag, also am Barmherzigkeitssonntag 1999 stellte eine Tochter es mir ein. Nun konnte ich es auch hören, natürlich nur, wenn keine Sportsendungen kamen. Für meinen Mann war dieser Sender nichts. Aber dann sollte meine Schwester mit ihrer Gebetsgruppe zweimal im Monat im Radio den Rosenkranz beten. Sie war im Anfang etwas aufgeregt und bat uns, mit zu hören und ihr zu sagen, wenn etwas vielleicht nicht so gut war. Das hat mein Mann dann auch regelmäßig gemacht. Das war wohl das erste mal, dass er freiwillig einen ganzen  Rosenkranz, vielleicht nicht mit betete, aber zumindest anhörte.

Er stand wegen seiner Luftnot morgens oft schon um 4 Uhr auf. Eines Morgens komme ich runter, da sagte er: „Was meinst du, was ich heute morgen gemacht habe? Ich habe um 6 Uhr schon den Rosenkranz mit gebetet. Da bist du platt.“ Das war ich auch wirklich. Denn der Rosenkranz war für ihn früher ein unmögliches Gebet. Aber es kam dann immer öfter vor, dass er morgens oder abends den Rosenkranz anstellte.

Seine Krankheit, ein Lungenemphysem, schritt weiter fort. Er bekam ein Sauerstoffgerät und konnte nicht mehr die Treppe rauf. Sein Bett war nun unten im Wohnzimmer. Das Fernsehen wurde für ihn immer uninteressanter und er stellte immer öfter Radio Horeb ein.

 So entdeckte er auch nachmittags um drei Uhr den Barmherzigkeitsrosenkranz. Und das wurde sein Gebet.  Bald darauf stellte er sich jeden Morgen die Heilige Messe an. Eines morgens kam ich ins Zimmer, ich schlief im angrenzenden Raum, da sagte er nicht „guten Morgen“, sondern „der Friede sei mit dir“. Und seitdem war das jeden Morgen unser Gruß.

Es war für mich unbegreiflich, wie er sich veränderte. Wenn ich um 3 Uhr mal im Garten war, schaute er zum Fenster raus und sagte: „Du, der Rosenkranz fängt an“. Wenn ich dann meine Arbeit erst mal fertig machen wollte, meinte er: „Na, dann muss ich halt wieder für dich mit beten.“  Wenn ihm das jemand ein Jahr vorher voraus gesagt hätte, den hätte er für total verrückt erklärt. Er doch nicht!  Oft stellten wir auch abends die Komplet ein und beteten miteinander.

Und so kam der 21. Nov. 2007. Es war Mittwochabend. Nach der Komplet kamen die Heilungsgebete. Mein Mann wollte sie hören. Der Priester sagte, dass er diesmal die Gebete aus den Sterbegebeten der Kirche nehme. Mein Mann machte mich noch darauf aufmerksam, wie schön die Gebete sind. Am anderen Morgen musste mein Mann zum Blutabnehmen  zum Arzt, wegen seinem Marcumar. Im Auto hatten wir ein kleines Sauerstoffgerät und die 20 oder 30 Meter vom Wohnzimmer bis zum Auto konnte er noch ganz gut gehen. Wir waren noch nicht weit gefahren, als das Sauerstoffgerät anfing zu piepen. Als ich merkte, dass mein Mann sehr unregelmäßig atmete, wollte ich nicht erst zum Arzt, sondern gleich ins Krankenhaus fahren. Das sind etwa 10 Km. Auf der halben Strecke kippte mein Mann mir zum Steuerrad rüber, so dass ich nicht weiterfahren konnte. Ein Handy hatte ich nicht. Ich hielt ein Auto an und bat den jungen Mann, den Notarzt zu rufen, weil mein Mann kaum noch atmete.Ich setzte mich neben meinen Mann und hielt ihn im Arm. Der Notarzt war ganz schnell da. Er war auf dem Rückweg von einem Einsatz ganz in unserer Nähe. Mein Mann wurde auf eine Decke gelegt und bekam mehr Sauerstoff.  Ich konnte seine Hand halten. Als dann der Rettungswagen kam, ging das nicht mehr. Darum setzte ich mich auf den Beifahrersitz, denn ich war überzeugt, dass mein Mann meine Nähe spürte, auch wenn die Wand dazwischen war. Für mich war das alles irgendwie unwirklich. Wir waren mit soviel Liebe umgeben, ob es der Arzt, die Rettungssanitäter oder der junge Mann war. Während ich nun auf dem Beifahrersitz saß, betete ich den Barmherzigkeitsrosenkranz. Und plötzlich war in mir die Gewissheit:  Jetzt geht er weg.

Ich schaute zum Himmel, als wenn ich ihm nachschauen würde.

Dann kam der Fahrer des Rettungswagens und meinte, dass sie meinen Mann ins Krankenhaus bringen würden und ich sollte mit ihm mitfahren. Ich konnte keine Fragen stellen. Als ich dann im Krankenhaus zur Intensivstation kam, kam der Notarzt mir entgegen und sagte mir, dass mein Mann verstorben sei. Er führte mich zu ihm. Das erste, was ich sah, war ein Kreuz und eine brennende Kerze auf dem Nachttisch. Und dann meinen Mann mit einem ganz glatten Gesicht, das vorher, ob wohl er erst 70 Jahre alt war, tiefe Falten und Furchen hatte. Mir wurde ganz stark bewusst, welche Not er die letzten Jahre hatte. Und ich konnte nur sagen: Josef, es tut wahnsinnig weh, aber ich gönne es dir.

Auch hier wieder eine liebevolle Fürsorge. Es kam auch kein Notfall herein, sodass wir den Raum auf der Intensivstation 5 Stunden für uns hatten. Unsere Kinder konnten sich, bis auf einen, der bei Hamburg auf Montage war, vom Vater verabschieden.

In der ersten Zeit wurde meine Trauer von einer großen Dankbarkeit überdeckt. Wenn es denn sein Geburtstag in den Himmel sein sollte, dann konnten wir uns nichts besseres wünschen: Ich durfte bei ihm sein und ich konnte sehen, wie das Leben ganz sacht und sanft aus ihm wich. So möchte ich auch sterben.

Jesus hat ja versprochen: Seelen, die dieses Rosenkranzgebet beten, werden von meiner Barmherzigkeit im Leben umfangen und besonders in der Stunde des Todes. 

Dass Er dieses Versprechen hält, habe ich erlebt. Er hat nicht nur meinen Mann, sondern auch mich in diesen Stunden mit Seiner Barmherzigkeit umfangen.

 

Als mein Mann starb, war ich 63 Jahre alt und ich wollte noch etwas Sinnvolles in meinem Leben tun. Allerdings wußte ich nicht, was das sein könnte. Ich wollte nichts überstürzen und gab mir ein Jahr Zeit. Und ich sagte zum Herrn, wenn Du mich noch irgendwo gebrauchen kannst, dann mußt Du mich schubsen. Und Er hat geschubst!

In diesem Jahr bin ich dreimal in eine Sterbebegleitung gleichsam rein gerutscht.

Mit einer Frau war ich sehr gut befreundet. Wir hatten über Jahre hinweg viele gute Gespräche geführt – über Gott und die Welt.-  Nun lag sie im Koma. Als ich sie auf der Intensivstation besuchte, war sie bis zum Hals zugedeckt und rührte sich nicht. Ich konnte nicht mal ihre Hand halten. Ja, was macht man da?  Ich habe einfach angefangen zu singen. So nimm denn meine Hände…. Großer Gott wir loben Dich…   Jesus, Dir leb ich….   Und dann hab ich den Barmherzigkeitsrosenkranz gebetet. Nach 1 ½ Stunden hab ich mich von ihr verabschiedet. In der Nacht wachte ich plötzlich auf. Ich war hell wach und mußte ganz stark an sie denken. Es war 1 Uhr.

Da an Schlaf nicht zu denken war, habe ich wieder den Barmherzigkeitsrosenkranz gebetet. Kurz danach ging es mir durch den Sinn: Jetzt ist es gut!  Ich wußte, es ist etwas passiert: Entweder ist sie gestorben, oder ihr Zustand hat sich wesentlich gebessert. Ich schaute noch mal nach der Uhr. Es war ½ 2.  Am nächsten Tag kam ihr Mann und sagte mir, dass seine Frau in der Nacht verstorben sei,  genau um 5Min. vor halb 2 Uhr. Sie hatte mich also bei ihrem Sterben gerufen. Das machte mich froh, trotz aller Trauer.

Dabei ist mir bewusst geworden, dass ich so etwas ja kann. Ich habe dann die Ausbildung zur Sterbebegleitung mitgemacht. Seit 2011 bin ich im ambulanten Hospizdienst tätig.

Es ist eine Tätigkeit, in der ich schon viele schwierige, aber noch mehr schöne Momente erlebt habe.

Eine Frau, die ich 6 Wochen hindurch im Seniorenheim begleitete, wollte jedes mal den Rosenkranz oder den Barmherzigkeitsrosenkranz beten. Ihr Sohn hatte ihr Zimmer mit Bildern geschmückt, unter anderem auch mit dem Bild des Barmherzigen Jesus in dieser Größe. Nach ihrem Tod schenkte er mir das Bild. Es schmückt jetzt  mein Wohnzimmer. Wenn wir ab Karfreitag  in unserer Kirche die Novene zur Göttlichen Barmherzigkeit beten, nehme ich es mit. Dann steht es am Altar.

Zweimal hatte ich auch  in einem Sterbezimmer ein ganz besonderes Erlebnis. Es war eine dichte Atmosphäre, die nicht zu beschreiben ist. Ich hatte das starke Gefühl, Jesus steht neben dem Bett und ich brauche nur meine Hand auszustrecken, dann kann ich Ihn berühren. Aber ich war nicht fähig, die Hand auszustrecken. Von diesen beiden Menschen weiß ich auch, dass sie in ihrem Leben eine besondere Nähe zu Jesus hatten.

 

Bei jedem Menschen, den ich begleite, bete ich wenigstens einmal laut, oder  manchmal auch leise, den Barmherzigkeitsrosenkranz. Was könnte ich ihm besseres schenken?

Ich wünsche mir, dass Jesus diese Menschen in ihrer Todesstunde auch mit Seiner  Barmherzigkeit und Liebe umhülle, wie damals meinen Mann.